Brettspiele haben schon immer eine besondere Faszination auf uns ausgeübt. Vom klassischen Monopoly oder Scrabble über prägende moderne Familienspiele wie Carcassonne oder Catan, die für unser Hobby wegweisend waren, bis hin zu aktuellen Spielen wie Weimar oder E-Mission haben sie Generationen von Spieler:innen begeistert und gleichzeitig unsere gesellschaftliche Entwicklung maßgeblich reflektiert. Mit jedem Würfelwurf, jeder Karte und jeder taktischen Entscheidung haben Brettspiele uns nicht nur unterhaltsame Stunden geboten, sondern auch unsere Denkweise und zwischenmenschlichen Fähigkeiten geprägt.
Die Entwicklung der Brettspiele spiegelt den Wandel der Gesellschaft wider. Früher waren Spiele wie Schach und Backgammon ein privilegiertes Vergnügen der Elite. Doch im Laufe der Jahrhunderte wurden Brettspiele immer zugänglicher und breiteten sich in alle sozialen Schichten aus.
Brettspiele fördern nicht nur den Zusammenhalt von Familie und Freunden, sondern haben auch einen nachweislichen Einfluss auf unsere Denkfähigkeit und sozialen Kompetenzen. Strategische Spiele erfordern taktisches Denken, Planung und Entscheidungsfähigkeit - Fähigkeiten, die in vielen Aspekten des Lebens von Vorteil sind. Durch das Lösen von Problemen und das Treffen von Entscheidungen in einer kontrollierten Umgebung lassen sich diese Fähigkeiten auf andere Lebensbereiche übertragen.
Darüber hinaus fördern Brettspiele auch soziale Interaktionen und zwischenmenschliche Dynamiken. Spiele wie Codenames oder Concept, Top 10 oder The Mind erfordern die Fähigkeit, mit anderen zu kommunizieren, Zusammenarbeit und Empathie zu entwickeln. Durch das gemeinsame Spielen lernen wir, uns in andere hineinzuversetzen, Abmachungen zu treffen und fair zu handeln.
Brettspiele haben sogar das Potenzial, gesellschaftliche Veränderungen zu reflektieren. Spiele wie Pandemic oder E-Mission behandeln komplexe Themen wie Krankheitsausbrüche oder den Weltklimawandel, Weimar sogar nichts Geringeres als die Auseinandersetzung der Parteien in der Weimarer Republik, in der alle Spieler:innen versuchen, die Machtergreifung der Nazis zu verhindern. Dies bietet Spielenden die Möglichkeit, sich mit diesen Herausforderungen auseinanderzusetzen und unterschiedliche Perspektiven einzunehmen sowie – wenn das Spiel gut gemacht ist – komplexe Zusammenhänge zu erfassen. Dadurch können sie Empathie und Bewusstsein für diese Themen fördern und zum Nachdenken über gesellschaftliche Probleme anregen. Durch die Corona-Zeit haben wir alle ein anderes Verhältnis zum Thema von Pandemic bekommen und verstehen mittlerweile noch besser, wie real die im Spiel dargestellte Bedrohung ist. Nach jeder Partie E-Mission hat sich in meinen Spielerunden eine Diskussion über Klimawandel, Klimaschutz und einzelne Maßnahmen angeschlossen. Und wer den beunruhigenden Zulauf bei rechten Parteien wie der AfD sieht, weiß, dass wir auch politisch viele Probleme zu lösen haben. Weimar lässt grüßen.
In einer zunehmend digitalisierten Welt bieten Brettspiele eine willkommene Abwechslung vom Bildschirm und fördern echte zwischenmenschliche Beziehungen. Sie bringen Menschen abseits der virtuellen Räume zusammen und ermöglichen es uns, Momente des gemeinsamen Lachens, der Herausforderung und des Wettbewerbs zu erleben.
Auch im Spiel alleine begegnen wir uns selbst. Ganz ohne Wettbewerb mit anderen, ganz ohne Diskussionen um die besten kooperativen Züge oder den fast unverzichtbaren Trash-Talk. Auch solo optimiere ich gerne die besten Wege, um Punkte zu jagen, Highscores zu knacken, zu deduzieren oder Welten zu erforschen. Auch hier können wir innehalten, loslassen, uns selbst herausfordern und alleine in den Spiegel unseres eigenen Spielverhaltens blicken.
Brettspiele haben also eine transformative Wirkung auf unsere Gesellschaft. Sie stärken unsere Denkfähigkeiten, fördern zwischenmenschliche Kompetenzen und ermöglichen es uns, komplexe Themen zu reflektieren. Es lohnt sich, in diese Welt einzutauchen und die vielfältigen Lernerfahrungen zu genießen, die uns Brettspiele bieten. Oder unserer Kreativität Raum zur Entfaltung gönnen. Oder uns vor Herausforderungen stellen, die wir mit Wonne, Leichtigkeit, Hirnschmalz oder Intuition lösen. Oder auch nicht.
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